Ausgabe 19/2019 Zwei-Wege-Lautsprecher

Ausgabe 19/2019 Zwei-Wege-Lautsprecher

Das Bundesinnenministerium plant, die Überwachung von Privatwohnungen künftig an große IT-Unternehmen auszulagern. Der Beschluss wurde gefasst, nachdem IT-Experten des Verfassungsschutzes eingeräumt hatten, dass Smart-Speaker von Google, Apple, Sonos und Amazon der Technik deutscher Abhörgeräte deutlich überlegen seien. Die hochleistungsfähigen Mikrofone in den amerikanischen Lautsprechern seien laut einem Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht nur wesentlich präziser und übermittelten Gespräche klarer, sondern könnten darüber hinaus Personen anhand ihrer Stimme eindeutig identifizieren.

Der Bundesinnenminister möchte diese zukunftsweisende Technik möglichst rasch seinem Geheimdienst zur Verfügung stellen. Der „Zwei-Wege“-Stream (Musik zum Hörer - Gesprochenes zum Hersteller) soll künftig ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen das Verbrechen sein. Da viele Bürger sich die intelligenten Lautsprecher freiwillig anschaffen, bieten sie dem Verfassungsschutz eine kostengünstige Möglichkeit, flächendeckende Lauschangriffe in nahezu allen Haushalten durchzuführen. Selbstverständlich nur bei Bedarf und mit richterlichem Beschluss.

Ungeklärt ist zu diesem Zeitpunkt, wie die Bundesbehörde möglichst zeitnah an die Aufzeichnungen gelangt, da amerikanische Konzerne auf Datenschutz größten Wert legen, solange es um ihre eigenen Interessen geht.
Der Innenminister wird sich morgen zu Verhandlungen mit hochrangigen Vertretern von Sonos, Apple, Google sowie Amazon treffen. Nach seinen Vorstellungen sollen sich die Lautsprecher-Hersteller vertraglich verpflichten, alle in Deutschland mitgeschnittenen Gespräche im MP3-Format auf CDs zu brennen. Für die Datenübermittlung ist das Einwurfeinschreiben mit Rückschein zu bevorzugen. Die Kosten für frankierte Rückumschläge und CD-Rohlinge übernimmt der Bund, den Rest der Kosten sollen die Konzerne tragen.

Als Anreiz für die Hersteller, dem Deal zuzustimmen, bietet die deutsche Regierung an, auch weiterhin legale Steuerschlupflöcher für amerikanische Großkonzerne in Deutschland großzügig zu ignorieren. Wie der Bundesinnenminister in einem Interview mit der Zeitschrift „Lasst uns nach Freiheit streben“ erklärte, sei dies ein geringes Opfer für einen derart hervorragenden Deal - schließlich gehe es um die Sicherheit des Landes.

Ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter meldete sich nun zu Wort. Er versteht die Welt nicht mehr. Warum lassen sich gerade im wiedervereinigten freien Deutschland so viele Bürger widerstandslos abhören? Was ihn jedoch völlig sprachlos macht: Warum sich aufgeklärte Demokraten die Lauschmikrofone [westdeutsch: Smart-Speaker] zudem selber kaufen? Setzt grenzenlose Freiheit etwa den Verstand außer Kraft? Zum Schluss merkte er noch an: Wäre der DDR-Führung bewusst gewesen, dass sie Überwachung nur als Lifestyle-Produkt verkaufen muss, hätte sie schon 1970 die Stasi gegen eine Datenschutzerklärung eingetauscht.

Artikel für wahr befunden von Gottlieb Biedermann

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