Alle wollen heute auf der richtigen Seite stehen.
Moral ist kein Wert mehr, sondern Werbefläche.
Man trägt sie wie ein Designer-Shirt – glänzend, sauber und völlig überteuert.
Empörung ersetzt Nachdenken, Haltung ersetzt Inhalt.
Die neue Tugend heißt Zustimmung – alles andere gilt als Makel.
Wer fragt, gilt als gefährlich. Wer widerspricht, als verdächtig.
Moral ist zum Spektakel geworden: laut, kurzatmig, selbstverliebt.
Seid mehr wie ich – leuchtend gut, makellos korrekt,
unendlich tolerant.
Denn ich bin euch gegenüber total weltoffen – solange ihr nicht anders denkt.
Nach dem Spektakel
Wir plappern sinnlose Parolen nach, statt selbst zu denken.
Empörung wurde zur Ersatzhandlung für Verantwortung.
Die Intellektuellen duckten sich weg – aus Angst, sich die Hände schmutzig zu machen
oder einfach, weil es bequemer war, von oben herab zu heucheln.
So konnten die Rechten stärker werden: nicht, weil sie überzeugender sind,
sondern weil die anderen zu beschäftigt waren, sich moralisch zu inszenieren.
Wir sind nicht Opfer von Extremen geworden – wir sind selbst extremer geworden.
Während alle lauter wurden, hat sich die Vernunft leise verabschiedet.
Bildung weicht Meinung, Wissen wird Gefühl,
und Kontext ist nur noch das, was in 280 Zeichen passt.
Die „Guten“ werden radikal, die „Bösen“ strategisch.
Dazwischen bleibt Schweigen – Diskurs geht anders.
Die Mitte ist verloren.
Seid mehr wie ich – leuchtend gut, makellos korrekt,
unendlich tolerant.
Denn ich bin euch gegenüber total weltoffen – solange ihr nicht anders denkt.
Illustration: GPT-5 / OpenAI
