Verplant in Deutschland

Es muss schon ein paar Sommer her sein, da saßen ein guter Freund und ich in seiner Küche. Partnerlos, frei und planlos. Was sollten wir diesen Sommer machen? Verreisen war die Antwort. Nur wohin? Nach Spanien oder Griechenland? Schweden oder Finnland, wohin denn nun?
Philosophen thematisieren: der Weg sei das Ziel! Aber ohne Ziel gibt es erst gar keinen Weg! Aus einem Irrglauben heraus vorverurteilte ich den Norden. Denn ich fahre doch in kein Land, in dem die Sonne nicht scheint. Da kann ich doch auch hin, wenn es Winter ist! Na ja, Vorurteile gepaart mit Unwissenheit! Ganz schlechte Kombination. Aber na ja, ist ja auch schon ein paar Sommer her!

 

 „In den Süden fährt jeder“, wandte mein Freund ein. „Der Westen ist zu teuer und der Osten zu billig!“ Wir schienen zu scheitern und hatten uns mit dem Gedanken angefreundet, den Sommer über hier zu bleiben. Blieben wir auch.
Wir entdeckten durch Zufall ein Angebot der Deutschen Bahn, dass sich sehr verlockend anhörte: Ein Ticket, gültig in Deutschland für zehn ICE-Fahrten 2. Klasse in dem Zeitraum eines Monats. Nachdem wir das Kleingedruckte gelesen hatten, stand unserem Pioniergeist nichts mehr im Weg.
Wir schmiedeten einen Plan, der, wie ich im Nachhinein feststellen musste, nicht unstressiger hätte sein können. Um das Ticket möglichst gut ausnutzen zu können, mussten wir am Morgen des ersten Tages in der ersten Stadt ankommen, um sie am Abend wieder verlassen zu können, damit wir in der nächsten Metropole eilen konnten, um dort zu übernachten! Um am nächsten Morgen die zweite Stadt zu erkunden, und so weiter, und so weiter. Anfangs hielt ich das für eine tolle, ausgebuffte Idee, denn wir holten das Optimale aus dem Ticket heraus. War ein Tag des Tickets entwertet, so war es für diesen ganzen Tag (bis am Folgetag sechs Uhr) gültig. Klar soweit? Gut!
In guter Hoffnung und des guten Planes gewahr, schnallten wir uns die Rucksäcke um und gingen gegen zehn Uhr zum Münchner Hbf.
Nach etwa acht Tagen und etwa sechs Städten (in Köln gönnten wir uns einen Tag mehr!) erreichten wir über die westliche Flanke unser nördlichstes Ziel Lübeck, schlugen einen rechten Hacken in den Osten, um dann über die Mitte wieder zurück nach Hause zu fahren. Immer noch der Hoffnung, so viele Städte besichtigen, wir es mit dem ICE-Ticket nur möglich war. Leider hatten wir in unserem Meisterplan nicht bedacht, dass diese Hetze etwas in Stress ausarten könnte. Dazu kam noch, dass wir während der ganzen Reise wenig schliefen. Um Geld zu sparen, übernachteten wir in dem Zelt  meines Freundes auf den Campingplätzen vor Ort. Für gewöhnlich meldet man sich am Tag der Ankunft an und zahlt bei der Abreise. Da wir, bedingt durch unseren Plan, sehr spät an unseren Bestimmungsorten ankamen, war in den meisten Fällen kein Campingplatzwärter mehr da, der unsere Ankunft hätte bemerken können. Vor sechs Uhr morgens war der Empfang ebenfalls nicht besetzt. Aus diesem Grund beschlossen wir, sehr früh aufzustehen, das Zelt abzubauen und somit dem Zahlen zu entgehen. 
Ein weiterer Geniestreich unseres Plans, der zur Steigerung meines Stresslevels noch etwas beitrug. Lediglich in den wenigen Städten, in denen wir zwei Tage verweilten, zahlten wir den Campingplatz.
Schließlich, am Tag 12 unserer Reise, ging ich etwas genervt, wie in den anderen Städten zuvor auch, in die Touristeninformation, um mir einen kostenlosen Stadtplan zu holen.
Die Dame hinter dem Tresen fragte ich: „Könnte ich bitte einen Stadtplan von Göttingen haben?“
 Darauf erwiderte die nette Frau: „Wir haben keinen Stadtplan von Göttingen.“
Ich wiederum: „Ich will ja auch keinen richtigen Stadtplan, ich will nur so eine Übersicht über die Sehenswürdigkeiten der Altstadt!“
„Wir haben auch keinen Übersichtsplan von Göttingens Altstadt“.
„Gute Frau,“ sagte ich, "wir waren bis jetzt in neun verschiedenen Städten und überall, sogar in denen im Osten, war es möglich, einen Stadtplan zu bekommen.“
Sie ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und antwortete stoisch: „Wir haben aber keinen Stadtplan von Göttingen!“
 Vielleicht wollte sie uns keine Übersicht über die Stadt geben, weil  sie uns mit Pennern verwechselt hatte. Was ich verstehen konnte, denn unser frühes Verschwinden von den Campingplätzen musste schnell gehen. Damit war für Duschen nicht immer Zeit, da der Platzwart, den wir unbedingt meiden wollten, meist den Schlüssel für die Sanitäranlagen hatte. Aber getreu dem Motto „alle Menschen sind gleich“, egal wie sie riechen, beharrte ich auf meinen Stadtplan. Wieder verneinte sie meine Forderung. 
Will mich die gute Frau verarschen? Mit gereizter Stimme forderte ich vehement den Stadtplan von der Universitätsstadt. Mich meiner Wut voll hingebend schrie ich: „Ich zahl auch dafür!“
Sie antwortete: „Wir haben keinen Stadtplan von Göttingen, auch nicht, wenn sie bezahlen!“
 Nun riss mir endgültig der Geduldsfaden und ich schrie: „Na, dann, scheiß ich eben auf die Sehenswürdigkeiten!“
 Im Begriff, äußerst sauer den Laden zu verlassen, wies mich mein Weggefährte darauf hin, dass wir in Kassel waren, und es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, den Stadtplan von Kassel zu erfragen.

Darf‘s a bisserl mehr sein?

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